Sicherheitstag „Ganzheitliche Veranstaltungssicherheit“

Die Sensibilisierung für Sicherheitsprobleme bei Großveranstaltungen und geeignete Ansätze zu deren Lösung standen im Mittelpunkt des SVSW-Sicherheitstags, der am 3. Februar in Dresden stattfand – passend zum Thema in der Businesslounge des neuen „glücksgas-stadions“. Unter dem Motto „Ganzheitliche Veranstaltungssicherheit“ wurde den Teilnehmern, darunter vielen Veranstaltern und deren Dienstleistungspartnern, Informationen zur Gefährdungslage aber auch Hinweise gegeben, wie sie durch Planung, Veranstaltungsorganisation und den effizienten Einsatz von Technik und Personal das Sicherheitsniveau für die Besucher anheben, ihre eigene Handlungs- und Rechtssicherheit verbessern und das Haftungsrisiko verringern können.

Axel Teuber, stellvertretender Vorsitzender des SVSW, betonte bei der Eröffnung des Sicherheitstags die Bedeutung eines ganzheitlichen Konzeptes für die Gewährleistung der Sicherheit bei Großveranstaltungen. Bei jeder Veranstaltung, ob Schützenfest, Sportfest, Fußballturnier, Stadtfest, Rockkonzert oder Betriebsfeier, seien unter sicherheitsrelevanten Aspekten vielfältige Faktoren zu beachten: Rechtliche Vorschriften müssen eingehalten werden, mitwirkende Partner ihre jeweiligen Aufgaben kennen und auch die Besucher sollten gut informiert in die Veranstaltung gehen. Gewaltkriminalität und Sport, diese Kombination gibt es insbesondere im Fußball. Ministerialrat Dirk Bölter, Referatsleiter Einsatz und verkehrspolizeiliche Aufgaben im sächsischen Staatsministerium des Innern, verwies darauf, dass sich in den vergangenen Jahren unabhängig von der Spielklasse große, gewaltbereite Szenen im Umfeld sächsischer Vereine etabliert haben. Der Imageschaden für den Freistaat Sachsen, der durch damit zusammenhängende Medienberichte verursacht werde, sei erheblich. Bölter forderte daher Veranstalter und private Sicherheitsdienstleister auf, bei Fußballspielen und anderen Großveranstaltungen folgende Aspekte zu beachten:

  • Die Bevölkerung und insbesondere die Besucher und Gäste von Großveranstaltungen haben einen Anspruch auf den sicheren Verlauf der Veranstaltungen. Großveranstaltungen stellen daher eine Herausforderung für die für die Sicherheit Verantwortlichen dar.
  • Die Hauptlast der Verantwortung für die Sicherheit von Veranstaltungen liegt beim Veranstalter. Er ist gehalten, angemessene Sicherheitskonzepte zu erstellen und diese mit entsprechend quantitativ ausreichendem und gut qualifiziertem Ordnungspersonal sowie technischen Lösungen umzusetzen.
  • Der Polizeivollzugsdienst wird im Rahmen der gesetzlichen Zuständigkeit zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung tätig. Das Hauptaugenmerk liegt im Umfeld der Veranstaltung. Die Polizei arbeitet konstruktiv im Vorfeld und bei der Durchführung der Veranstaltung mit dem Veranstalter zusammen.
  • Durch den Veranstalter vernachlässigte aber notwendige Sicherheitsvorkehrungen können nicht durch den Einsatz von Polizeibeamten kompensiert werden. Auch wenn Kosten für den Veranstalter dadurch entstehen, sind ausreichend sicherheitsbezogene Vorkehrungen zu treffen.
  • Bei wiederkehrenden Großveranstaltungen sollte eine Nachbereitung unter Beteiligung aller für die Sicherheit Verantwortlichen durchgeführt werden, um Sicherheitskonzepte fortlaufend zu optimieren.

Helmut Spahn, Sicherheitsbeauftragter des Deutschen Fußball Bundes (DFB) und Hauptabteilungsleiter Prävention und Sicherheit beim DFB, gewährte den Zuhörern anschließend interessante und spannende Einblicke in die Sicherheitsorganisation des Verbandes. Wichtige Informationsquellen seien hier ein komplettes Sicherheitsreporting, das von der Bundesliga bis zur Regionalliga reicht. Sicherheitsbeauftragte des Heimvereins geben hierzu nach jedem Spiel einen Bericht ab. Ausgewertet werden die Daten jeweils nach Hin- und Rückrunde. Zudem gibt es ein Online-Sofort Meldesystem für sicherheitsrelevante Vorkommnisse. Ergänzt wird dieses Meldesystem durch eine Online-Lagebilderfassung der Regional- und Landesverbände, die ebenfalls sämtliche sicherheitsrelevante Vorkommnisse eingeben. Der DFB wertet die Meldungen aus und erstellt ein bundesweites Lagebild. Spahn stellte hierzu den Lagebericht für die vergangene Saison (2009/10) vor. Danach wurden von insgesamt 1.973 Spielen in den vier oberen Klassen (Bundesliga bis Regionalliga) 5,7% (149 Spiele) als Risikospiele hinsichtlich der Veranstaltungssicherheit eingestuft und 175 sicherheitsrelevante Ereignisse registriert. Die Analyse ergab unter anderem folgende Erkenntnisse:

  • Gewalttätige Vorkommnisse innerhalb der Stadien waren stark rückläufig, in manchen Spielorten tendierten sie gegen Null.
  • Innerhalb der Stadien war kaum noch polizeilich relevantes Handeln erforderlich.
  • Die Probleme innerhalb der Stadien waren im Wesentlichen der Einsatz von Pyrotechnik, Werfen von Gegenständen und gelegentlich auch Rassismus und Diskriminierung.
  • Außerhalb der Stadien kam es vermehrt zu Polizeieinsätzen.
  • In allen Ligen war bei den Fans eíne Verstärkung des Feindbildes „Polizei“ erkennbar, das teilweise auch zu Gewalttätigkeiten führte.
  • Straftaten verlagern sich aus den Stadien in den öffentlichen Bereich.

Ebenfalls sehr praxisnah informierte Uwe Friedrich, Sicherheitsbeauftragter des Sächsischen Landtages, über die gesetzlichen Grundlagen für die Veranstaltungsplanung. Friedrich betonte, dass in Deutschland auch weiterhin eine abstrakte Gefährdung für schwere Anschlägen bestehe. Sicherheit und Risiko müssten verstärkt im gesellschaftlichen Kontext gesehen werden, sie seien zentrale Bezugsgrößen des Sicherheitsmanagements. Es gelte somit, die globale, europäische und nationale Sicherheitsarchitektur miteinander zu vernetzen.

Zum Thema Veranstaltungsschutz empfahl Friedrich den Organisatoren von Veranstaltungen jeweils zu bedenken, dass sie der Gefahr unterliegen, mit dem Strafrecht in Konflikt zu geraten: „Kommen Teilnehmer einer Veranstaltung zu Schaden, werden sie verletzt oder getötet, drohen Strafverfahren“. Das Strafrecht durchziehe zunehmend alle anderen Rechtsgebiete. Deshalb, so die Schlussfolgerung des Referenten, seien die Sicherheitsbelange einer Veranstaltung Chefsache. Zu berücksichtigen sei aber auch, dass aus Sicherheitsüberlegungen in der Regel wesentliche organisatorische, personelle und bautechnische Maßnahmen abgeleitet werden, die den gesamten Veranstaltungsablauf betreffen können und damit bei der Umsetzung auf Kritik „anderer“ Beteiligter stoßen. Daher gelte: Je qualifizierter die Konzeption ist, desto schwerer werden es die Kritiker haben.

Uwe Bartmann von der sächsischen Sparkassen-Versicherung beleuchtete im weiteren Verlauf der Tagung die Versicherungsmöglichkeiten bei der Durchführung von Großveranstaltungen, indem er zunächst die allgemeinen Haftungsgrundlagen vorstellte. Kern und Ausgangspunkt einer zentralen Anspruchsgrundlage sei § 823 BGB:
„(1)Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines Anderen widerrechtlich verletzt, ist dem Anderen zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet“.

Gerade vor dem Hintergrund der Love-Parade-Katastrophe von Duisburg, wo im Sommer 2010 bei einer Großveranstaltung infolge gravierender Mängel im Sicherheitskonzept 21 Menschen zu Tode kamen, gewinne der Straftatbestand der groben Fahrlässigkeit eine ganz neue Bedeutung. Grundsätzlich sei zwischen einer Verschuldungshaftung – die Beweislast trägt der Geschädigte – und einer Gefährdungshaftung zu unterscheiden. Bei der Gefährdungshaftung gelte der Grundsatz der Beweislastumkehr, das heißt, hier muss der Veranstalter den Nachweis für seine Sorgfaltspflicht erbringen. Veranstalterhaftpflichtversicherungen können hier Ansprüche aus Personen- oder Sachschäden abdecken, die bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung einer Veranstaltung entstehen. Eine zentrale Bedeutung komme aber der Höhe der Versicherungssumme zu, die in einer angemessenen Beziehung zur Veranstaltungsgröße stehen muss. Auch hier beschrieb er die Love-Parade von 2010 als Negativbeispiel.

Die zweite wichtige Versicherung für Veranstalter sei die Veranstalter-Ausfallversicherung, eine Spezialversicherung, die das Risiko des Ausfalls bzw. der Undurchführbarkeit von Veranstaltungen deckt, wenn der Ausfall oder die Undurchführbarkeit durch Ursachen hervorgerufen wird, die außerhalb des Einflussbereiches des Versicherungsnehmers und der beauftragten Organisatoren liegen versicherbar sind vergeblich aufgewendete Kosten und entgangener Gewinn.

Marek Zimny, Geschäftsführer des Planungsbüros Zimny, stellte dann das Flucht- und Rettungswegekonzept vor, das beim Umbau des „glücksgas-stadions“ entwickelt wurde. Große Stadien würden eine gewisse Sonderstellung einnehmen, weil die Entfluchtungskonzepte im Rahmen des baulichen Brandschutzes hier sehr stark mit den baulichen Sicherheitskonzepten korrelieren, die von einer strikten räumlichen Trennung der Fangruppen ausgehen. Wichtigste Grundlagen bei der Planung sei die sächsische Landesbauordnung gewesen, die neben den Schutzzieldefinitionen auch die Mindestlängen und -breiten von Flucht- und Rettungswegen vorgibt, sowie die Richtlinie über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (VStättRL). Eine zentrale Anforderung sei danach, dass Besucher, Mitwirkende und Betriebsangehörige eine Versammlungsstätte unmittelbar oder zügig über Flächen des Grundstücks, die nicht anderweitig genutzt werden dürfen, auf eine öffentliche Verkehrsfläche gelangen können, die neben dem sonstigen Verkehr auch den Besucherstrom, besonders am Schluss der Veranstaltungen, aufnehmen kann. Versammlungsstätten für mehr als 2.500 Besucher, also auch ein Fußballstadion, müssten dabei nach zwei öffentlichen Verkehrsflächen verlassen werden können. Je 150 Personen im Bereich müsse die lichte Breite eines jeden Teiles des Rettungsweges mindestens einen Meter betragen. Ein kritischer Punkt in den Evakuierungskonzepten seien insbesondere die „Mündlöcher”, die Öffnungen, durch die die zu evakuierenden Personen auf die Tribünenunterseite zu den Rettungswegen ins Freie gelangen. Solche baulichen Verengungen würden wie „bottle necks“ wirken, an denen Stauungen und damit die Gefahr einer Panik verhindert werden müssen. Als zusätzliche Sicherheit im „glücksgas-stadion“ gebe es daher umlaufende Gänge auf der Ebene der Mundlöcher, die ebenfalls ins Freie führen. Zuvor seien über ingenieurwissenschaftliche Methoden die Personenströme im Evakuierungsfall berechnet worden. Als Parameter für die Bemessung von Flucht- und Rettungswegen dienen „Personen je Minute“ bei definierten Evakuierungszeiten. Die praktische Umsetzung all dieser Sicherheitsüberlegungen konnten die Teilnehmer im Rahmen einer Stadionführung erfahren, die neben dem Tribünenbereich auch Einblicke in die VIP-Logen im Ostflügel und in die Einsatzzentrale für Stadionleitung, Polizei und Feuerwehr gewährte, auch die Plätze mit der besten Sicht wurden besucht – die Empore für die Kamerateams.

Dr. Ronald Wellenreuther. SVSW-Vorstandsmitglied

 

Urheberrechte:
Die Rechte der Außenansicht des glücksgas-stadions liegen bei der Stadion Dresden Projektgesellschaft mbH & Co. KG. Eine anderweitige Verwendung der Aufnahme ist ohne Rücksprache mit der Projektgesellschaft nicht gestattet.

 

Downloads zum Sicherheitstag:

Flyer zum SVSW Sicherheitstag 03.02.2011
Artikel „Ganzheitliche Veranstaltungssicherheit“ WIK 2011

Rückblick in Bildern:

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